Das Briefgedicht gehört zu den ältesten Formen der Literatur. Maria Borio und Tom Schulz fragen, wie man heutzutage noch Briefgedichte schreiben kann. Konzentriert in jeweils 15 Zeilen langen Briefen und Gedichten entsteht ein poetischer Dialog, der versucht, Raum und Zeit zu verbinden und gleichzeitig zu überwinden. Er ist ein lyrisches Gespräch von Mitteilungen, Fragen und Antworten, das nach der und dem anderen sucht, in einer Zeit, in der sonst selbstverständliche Parameter verloren zu gehen scheinen und die von Krisen bestimmt ist.
Mit dem Titel des Buchs Briefe aus der Roten Wüste beziehen sich Maria Borio und Tom Schulz explizit auf den 1964 von Michelangelo Antonioni inszenierten Film Die rote Wüste, der überwiegend in den Industrieanlagen Ravennas der 1960er-Jahre gedreht wurde. Die von Technik bestimmte Kulisse zeichnet das Bild einer radikalen Sinnkrise und den Verlust jeglicher Bindungen. Sie entspricht der Ausgangssituation der Briefgedichte, die größtenteils während der Corona-Pandemie entstanden sind. Die Erfahrung der Isolation und Einsamkeit wird poetisch aufgearbeitet als Vorbereitung auf die Begegnung mit der und dem Anderen.
Die Veranstaltung wird in italienischer und deutscher Sprache stattfinden.
Briefe aus der roten Wüste | Lettere dal deserto rosso | Gedichte | Poesie |Maria Borio | Tom Schulz | übersetzt von Pia-Elisabeth Leuschner und Paola del Zoppo | Reihe Staben [band 28] | Gutleut Verlag 2024
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Maria Borio ist Lyrikerin und Essayistin. Sie veröffentlichte die Sammlungen Vite unite (2015), Trasparenza (Interlinea 2019), übersetzt in den USA, L’altro limite (pordenonelegge-lietocolle 2017) übersetzt in Argentinien. Außerdem veröffentlichte sie Dal deserto rosso (Stampa2009, 2020), erweitert und übersetzt in Deutschland (Briefe aus der Roten Wüste, mit Tom Schulz, übersetzt von Pia-Elizabeth Leuschner und Paola Del Zoppo, Gutleut Verlag, 2024) und Prisma (Zacinto edizioni 2022). Ihr jüngstes Sachbuch hat den Titel Poetiche e individui (Marsilio 2018). Derzeit arbeitet sie an einem Projekt über Poesie und Authentizität. Sie ist verantwortlich für die Rubrik Poesie der Zeitschrift „Nuovi Argomenti“ und Redakteurin der Kultur-Website le parole e le cose. Sie ist Gründerin des internationalen Festivals poesiæuropa. Für ihr Werk wurde sie u.a. mit dem Mauro-Maconi-Preis, dem Preis der Stadt Fiumicino und dem Jacopone-da-Todi-Preis ausgezeichnet. Sie hat einen Lehrauftrag an der Universität von Perugia.
Tom Schulz wurde 1970 in der Oberlausitz geboren und wuchs in Ost-Berlin auf. Er ist Autor von Lyrik, Prosa, Reportagen und Essays. Er arbeitet auch als Kritiker und Herausgeber und unterrichtet kreatives Schreiben. Zuletzt erschienen: Briefe aus der Roten Wüste, Gedichte, gemeinsam mit Maria Borio, Gutleut Verlag, Frankfurt/Main, 2024; Die Erde hebt uns auf, Gedichte, Poetenladen Verlag, 2024; Reisewarnung für Länder Meere Eisberge, Gedichte, Hanser Berlin, 2019; Die Verlegung der Stolpersteine, Gedichte, Hanser Berlin, 2017; Das Wunder von Sadagora, Eine Polnisch-Ukrainische Reise, Edition Azur, Dresden, 2016. Er erhielt folgende Stipendien und Literaturpreise: das Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds, 2024, AIR Artist in Residence, Krems (Niederösterreich), 2023, H. C. Artmann Stipendium der Stadt Salzburg, 2022, Arp-Stipendium des Landes Rheinland Pfalz, 2020, Aufenthaltsstipendium Deutsches Studienzentrum Venedig, 2018, Preis des PEN Liechtenstein für Lyrik, 2016, Alfred-Gruber-Preis beim Lyrikpreis Meran, 2014, PEN-Liechtenstein-Preis für Lyrik (2016) und den Alfred-Gruber-Preis beim Meraner Lyrikpreis (2014). 2023 war er artist in residence AIR in Krems (Niederösterreich). Tom Schulz lebt in Berlin und Italien.
Camilla Miglio ist Professorin für Germanistik an der Sapienza in Rom, nachdem sie zuvor in Pisa und an der Universität L'“Orientale“ in Neapel gelehrt hat. Sie erforscht die Entstehung des europäischen literarischen Bewusstseins mit einem Schwerpunkt auf der deutschen Tradition. Sie untersucht das humanistische Erbe und die Beziehung zur Antike, die Ost-West- und Nord-Süd-Beziehungen, die deutsch-jüdische Kultur, die Verbindungen zwischen dem poetischen Diskurs und der Wissenschaft, der Musik, dem geographischen Raum und der Umwelt. Monographien über Paul Celan (Celan und Valéry. Poesie, Übersetzung einer Distanz, Neapel 1997; Vita a fronte. Essay über Paul Celan, Macerata 2005; Ricercar per verba. Paul Celan e la musica della materia, Macerata 2022); über Ingeborg Bachmann (La terra del morso, L’Italia ctonia di Ingeborg Bachmann, Macerata 2012, 2023); über Literaturrezeption durch Übersetzung. Übersetzungen von C. Brentano; U. Draesner; H. M. Enzensberger; J. und W. Grimm; E. T. A. Hoffmann; F. Kafka; J. A. Liebeskind; P. Waterhouse. Sie wurde mit den folgenden Preisen ausgezeichnet: Ladislao-Mittner-Preis für Deutschlandstudien (2005); Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (2010).