Berichten, Forschen, Zeichnen. | Italienkorrespondent Friedrich Noack (1858-1930)
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Schreiben, Kunst und Forschung

Friedrich Noack (1858-1930) in Italien

Auf der Fährte eines Mannes, der selbst ein großer Spurensucher war: Friedrich Noack, einer der ersten Italienkorrespondenten und Erforscher der deutschen Künstlerkolonie in Rom. Während sein Standardwerk „Das Deutschtum in Rom seit Ausgang des Mittelalters“ (1927) schon lange seinen Platz in den Bibliotheken erobert hat, wussten wir bisher nur wenig über den Autor selbst.

Dank des vor kurzem entdeckten privaten Nachlasses kann nun erstmals das erstaunlich kreative Leben des von 1891 bis 1915 in Rom weilenden Journalisten der Kölnischen Zeitung beleuchtet werden. Aquarelle, großformatige Fotografien, Manuskripte und persönliche Gegenstände führen auf eine Zeitreise um 1900, in eine Epoche des großen Umbruchs. Der 33jährige Noack reist mit dem Zug an und nicht mehr mit der Kutsche, es empfängt ihn nicht das Rom der Nazarener, denn die neue Hauptstadt des vereinigten Königreiches Italien wird in eine moderne Residenzstadt verwandelt. Und der hochverehrte Deutsche Künstlerverein, Stolz der Nation, hat mächtig an Esprit eingebüßt.

Der gebürtige Gießener saugt alle neuen Eindrücke auf, er durchforstet die Umgebung, bereist ganz Italien und hält seine Beobachtungen zu Land und Leuten nicht nur in zahlreichen Artikeln fest. Eine Auswahl von Aquarellen und Zeichnungen enthüllen auch ein begnadetes künstlerisches Talent, augenscheinlich Erbe seines Onkels, des bekannten Historienmalers August Noack. Er malt Stadtveduten, die Ruinen des Forums und die Campagna romana. Vergrößerte Fotos mit Ansichten des damaligen Roms begleiten seine Detailstudien. Erhalten hat sich sein originaler Malkasten mit den Aquarellfarben und Pinseln sowie sein Hocker, die ihn auf seinen malerischen Ausflügen stets begleiteten.

Als Erforscher der Geschichte der Deutschen in Rom wurde er bald selbst aktives Mitglied des Deutschen Künstlervereins. Er nahm am Aktzeichnen teil, in dem er es zu erstaunlicher Souveränität brachte, er kümmerte sich um die verwahrloste Vereinsbibliothek, hielt Vorträge und organisierte ausgelassene Karnevalsfeste. Auszüge aus den unveröffentlichten Lebenserinnerungen enthüllen jedoch auch Intrigen und Twist hinter den heiligen Kulissen des Vereins und der Diplomatenwelt in Rom, die der Autor in seinen offiziellen Schriften verschweigt. Sie geben Einblick in eine bisher unbekannte Historie.

Sein Quellenstudium erlaubte schließlich die Identifizierung von Goethes Wohnung im ersten Stock der Via del Corso 18. Ihm ist es letztlich zu verdanken, dass die Casa di Goethe sich heute in diesen Räumen befindet. Von Noack in Auftrag gegebene Fotografien zeigen den Zustand des Hauses und des Gartens im Innenhof wohl noch ähnlich wie zu Goethes Zeiten.

Der Besucher kann sich an das originale Stehpult stellen, an dem der wegen seiner Akribie als St. Bürokratikus genannte Gelehrte seine Aufzeichnungen zu Papier brachte – in der heute nicht mehr gebräuchlichen Gabelsberger Stenographie, in der alle seine Notizen abgefasst sind.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endet sein über zwanzigjähriges Rom-Abenteuer abrupt. Kurz vorher gelingt es ihm noch, nach Sizilien, Tunesien und nach Griechenland zu reisen, aus denen er reich bebildert zurückkehrt. Mit 57 Jahren geht es mit Ehefrau Ida und den beiden Kindern zurück nach Deutschland, wo er das zweibändige Kompendium zu den deutschen Künstlern in Rom zu Ende schreibt. Ein 1930 im Schwarzwald gedrehter Film zeigt, dass er bis kurz vor seinem Tod, der ihn mit 72 Jahren ereilt, aktiv ist und – ohne Brille – sich der Aquarellmalerei widmete.

Kuratorin:
Dorothee Hock († 10.08.2021)

Wissenschaftliche Mitarbeit:
Claudia Nordhoff