Kuratiert von Ludovico Pratesi
Die Ausstellung REISE NACH ITALIEN XXI knüpft an Goethes Italienische Reise an und stellt die Frage nach der heutigen Bedeutung des Reisens. Sinn und Art der Reise haben sich seit der Grand Tour zu Goethes Zeit radikal gewandelt. Acht Künstler*innen, die in Italien und Deutschland leben und arbeiten, widmen sich hier dem Thema: Francesco Arena, Guido Casaretto, Johanna Diehl, Esra Ersen, Silvia Giambrone, Benedikt Hipp, Christian Jankowski, Alessandro Piangiamore.
Italien ist seit jeher ein Land, in dem Reisende, heute nicht nur Touristen sondern auch Migranten, auf eine Realität treffen, die nicht immer mit den eigenen Erwartungen übereinstimmt. Die Wohnung in der Via del Corso, in der bereits Goethe mit anderen Künstlern lebte, wird zu einem Ort des Austauschs über die Komplexität der europäischen Gegenwart. Als Antwort Wie stehst du zum Anderen? formen die gegenübergestellten Werke einen Dialog, der das übergeordnete Motiv der Reise aus ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Der Blick auf den Anderen wird zum roten Faden einer Erzählung zwischen Realität und Metapher. „Das Italien des 21. Jahrhunderts ist Teil Europas, es teilt dessen Probleme und Widersprüche. Die Künstler*innen dokumentieren ihre persönliche Sichtweise in Videos, Malerei, Skulpturen und Fotos in einer Zeit, in der die Beziehung zum Anderen immer komplexer wird“, erläutert Ludovico Pratesi, der Kurator der Ausstellung. Die Künstler beschäftigen sich dabei auch mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen, darunter Migration, die Erinnerung an den Faschismus oder kulturelle Aneignung.
Die Ausstellung mit ihren 34 Kunstwerken spielt mit den sich kreuzenden Perspektiven der acht Künstler*innen:
Guido Casaretto (Istanbul 1981, lebt und arbeitet in Istanbul) wagt in seinem Video eine metaphysische Interpretation des Themas Maske und Verkleidung. Männer mit sardischen Masken wandern durch einen ausgetrockneten türkischen Salzsee. Die Szene thematisiert die kulturelle Übertragung von Ritualen im Mittelmeerraum. Die Masken stellen hier einen Bezug zu Goethe und dessen Aneignungsstrategien her: Fasziniert von den Verkleidungen und Umzügen des römischen Karnevals, nahm bereits dieser die Masken des Karnevals in Rom in die „Allegorie des Mummenschanzes“ in Faust II auf.
Francesco Arena (Brindisi 1979, lebt und arbeitet in Cassano delle Murge) und Silvia Giambrone (Agrigent 1978, lebt und arbeitet in Rom und London) übermitteln ihre Botschaften mithilfe von geschriebenen Worten: Arena präsentiert eine Serie von „Landschaftsbeschreibungen“, die er auf Reisen formuliert hat. Auf die Wirkung eines einzigen Satzes gestutzt, sind diese wie Gedichte in Bronzeklumpen geritzt, die wie Lehmziegel aussehen: Banale Gegenstände werden hier zu Bedeutungsträgern. Giambrone prangert Gewalt an Frauen und Femizid an, die in der patriarchalisch geprägten italienischen Gesellschaft noch relativ häufig anzutreffen sind. In ihrer Installation „Off the pain“, die hier zum ersten Mal ausgestellt ist, wird das Wort zur Botschaft und zum Zeugnis eines oft verschwiegenen Leidens.
Die Fotografie kommt zum Einsatz, um den Gegensatz von Schönheit und Widerspruch des heutigen Roms einzufangen. Johanna Diehl (Hamburg 1977, lebt und arbeitet in Berlin) richtet ihren Blick auf die Vergangenheit und untersucht, wie die faschistische Architektur und Ästhetik aus der Zeit Mussolinis heute wirken. Esra Ersen (Ankara 1970, lebt und arbeitet in Berlin) hingegen setzt ihren Fokus auf Migranten, die versuchen, in der italienischen Gesellschaft zu überleben. Dabei thematisiert sie die sozialen Härten unserer Zeit und das eklatante Müllproblem des heutigen Rom.
Benedikt Hipp (München 1977, lebt und arbeitet in Finning) bedient sich der Malerei, um die Beziehung zum Anderen in symbolischer und surrealer Weise darzustellen: Die Reise wird zur Metapher, Körperlichkeit und Verletzlichkeit, gar zum Wunschgedanken. Das gezeigte Werk „In continuo movimento“ ist für die Ausstellung entstanden und wird hier zum ersten Mal zeigt.
Christian Jankowski (Göttingen, 1968, lebt und arbeitet in Berlin) und Alessandro Piangiamore (Enna 1976, lebt und arbeitet in Rom) gehen das Thema mit Ironie an: Jankowski stellt ein Film-Casting auf der Suche nach dem „perfekten Jesus“ nach und geht dabei auf das Präsentationsbedürfnis des Vatikans als eine Form des „Showbusiness“ ein. Piangiamore verwandelt in seinem Diptychon einen Bildausschnitt aus dem Alltag in eine spirituelle und fast mystische Vision: eine Reise in den Himmel, wo die Spuren des Vogelzugs auf himmlische Bahnen hinweisen.
Foto: Guido Casaretto, Crossing Carnevale (Video, 15 min, 2019) © by the artist
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